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Zuletzt im Programm bei Kult Comics8.7.2023: Adler 2, Drinnen, Rockabilly Krauts und Timmi Tambour 2
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ICOM Independent Comic Preis 2023
ICOM Independent Comic-Preis für eine besondere Leistung oder Publikation geht an das Autoren- und Zeichner-Team der Comic-Anthologie „Tick Tock – Kult Geschichten 1“.
ICOM Nominierung in der Kategorie Selbstverlag für Irrlicht.



5 Titel gefunden
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Gewinner-Laudatio SONDERPREIS Langform: Preisträger Sonderpreis für eine besondere Leistung oder Publikation
Anthologie: Tick Tock – Kult Geschichten 1
Was eine Anthologie ist, dürfte jedem hinlänglich bekannt sein. Wörtlich aus dem Griechischen übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie Blütenlese, also eine Zusammenstellung bzw. Auslese von besonderen „Blüten“. Und, oh ja, die Blüten dieser Anthologie sind etwas Besonderes. Sie haben alle irgendwie etwas mit dem Tod zu tun. Sei es der gewaltsame Tod, der Tod durch Krankheit, der seelische Tod oder der mediale, es geht stets mehr oder weniger morbide zu. Und ist es nicht gerade die Eigentümlichkeit solcherlei gruseliger Morbidität, gepaart mit Sensationslüsternheit und dem Wissen um die eigene Sicherheit als Rezipient derartiger „Moritaten“, die den Menschen immer wieder in ihren Bann zieht?
Als Autor der in dem Werk enthaltenen acht Comic-Short-Storys zeichnet Michael Mikolajczak verantwortlich. Zusammen mit acht verschiedenen Künstlern hat er sich dieser Art der Unterhaltung angenommen. Dabei sind die einzelnen Geschichten nicht nur auf Schock-Effekte oder gepflegten Grusel ausgerichtet. Es bleiben bei den meisten von ihnen auch die verschiedensten Gefühle zurück, deren Palette von Genugtuung über Bedauern und Verärgerung bis hin zu Ratlosigkeit oder erstauntem Interesse reicht. Die Inhalte wurden auch nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern beziehen sich in etlichen Fällen auf reale geschichtliche Hintergründe und Begebenheiten. Da geht es beispielsweise um den AC-DC-Streit von Tesla und Edison und die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl, um Robert Leroy Johnson, den King des Delta Blues, und den Klub 27, um die Hintergründe eines Mordanschlags auf die Pop-Art-Ikone Andy Warhol oder um die seltsame Geschichte der sogenannten Manchester-Mumie aus Birchen Bower. Dem hohen Unterhaltungswert steht also noch ein gewisser Lern- und Bildungseffekt zur Seite.
Die Auswahl der Künstler gestaltet sich international. Neben Deutschland standen ihre Wiegen auch in Italien, Venezuela und Polen. Das jeweilige Artwork harmoniert mit Inhalt und Narrativ der jeweils passenden Geschichte. Sascha Dörps filigrane Outlines mit den fetten schwarzen Schattierungen und der Farbgebung alter Fernsehfilme vom Beginn der 1970er Jahre fangen das Flair der Hippie-Zeit genauso ein, wie die expressive Strichführung von Jacek Piotrowski die Ängste der Hannah Beswick Ende des 18. Jahrhunderts atmen. Paolo Massaglis Zeichnungen, die an atmosphärische Hellboy-Comics erinnern, untermalen ihren Axtmord genauso perfekt, wie Ernesto Rodriguez’ Schwarz-Weiß-Kunst den Blues alter 40er-Jahre-Zeitungscomics festhält. Geradezu nahtlos fügen sich auch die Stile von Christian Zanotelli, Holger Klein, Chris W. Jany und Erik van Schoor in das künstlerische Gesamtpaket von „Tick Tock“ ein. Da gibt es keinen „Ausreißer“, keine Kurzgeschichte, die innerhalb der Anthologie sowohl grafisch als auch erzählerisch stören würde. Einheit in der Vielfalt. Mit dem bereits erwähnten Anspruch.
Gewissermaßen als Bonus wurden dem Comic-Buch auch noch Einblicke in die Skizzenbücher der jeweiligen Künstler sowie kurze Biografien nebst Porträts aller am Werk Beteiligten beigefügt. Ein Rundum-Paket.
Der diesjährige ICOM Independent Comic-Preis für eine besondere Leistung oder Publikation geht an das Autoren- und Zeichner-Team der Comic-Anthologie „Tick Tock – Kult Geschichten 1“. Herzlichen Glückwunsch!
Dirk Seliger
Laudatio Gewinner SELBSTVERLAG (online): Drinnen
1. Januar 2021: Während sich ein überwiegender Anteil der menschlichen Erdbewohner im Verarbeitungsmodus des Jahreswechsels befindet, sitzt eines dieser Wesen irgendwo an einen Schreibtisch. Es zeichnet. Das Wesen ist Sascha Dörp, der den perfiden Plan in die Tat umsetzt, ein Jahr lang an jedem Tag ab dato ein neues Panel im Social Web zu veröffentlichen, vollkommen umsonst - 365 Stück an der Zahl. Und so ward „Drinnen“ geschaffen.
DRINNEN – Ein 365 Panel-Comic
Der Titel an sich wirkt ja eigentlich neutral. Drinnen ist halt nicht draußen. Das Deckblatt ist gefüllt mit einem Rapport aus Beton und Glas. Eine Wohnbatterie – normiert, stereotypisiert – eine kompakte modulare Einheit. Darüber der Titel in dürren Lettern mit einem blutroten „I“, welches sich nach unten hin ergießt und spätestens jetzt ist eines gewiss: Hier stimmt was nicht. Der Untertitel bestätigt die Vermutung: Horror im Plattenbau.
Zeitlich ist die Geschichte um das Jahr 1984 angesiedelt. Und da liegt er auch schon: der blutige Hammer! Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr – die Geschichte baut sich auf.
Am Tisch sitzt Oliver, der nach dem Tod des Vaters mit seiner Mutter in den Plattenbau zog. Draußen regnet es so stark, dass die Schule ausfällt. Langeweile deutet sich an, denn Oli kennt niemanden im Block. Da ruft ihm die Mutter im Gehen zu, er möge doch mit dem Fotoapparat losziehen. Das macht der Junge prompt und entdeckt in den langen Fluren etwas, das er so niemals erwartet hätte. Ist es menschlich, ist es ein Gefühl, existiert es nur in seinem Kopf? Oli mag es nicht hier und sucht lohnenswerte Motive. Aufzug – Etage 13 – eine fiese Hochhaus-Gang macht Stress – Oli flüchtet, trifft Marillo und andere Kinder. Sie bilden einen wilden Haufen illustrer Individualisten, die so gar nicht ins triste Graumassiv passen wollen. Dann ist da noch dieser merkwürdige Nachbar mit dem Rautenmusterpulli. Tobi verschwindet, dann weiter Kinder. Zeit wiederholt sich, Perspektiven summieren sich, Hinweise zeigen sich – die Spannung steigert sich rasant, der Grusel reist die Furcht mit sich. Eine vermeintliche Lösung, eine Zuversicht rieselt von der Decke ...
Der ICOM zeichnet „Drinnen“ als besten Independent Comic in der Kategorie „Selbstveröffentlichung“ aus. Sascha Dörp hat hier ein Werk geschaffen, welches das Blut in den Haar-Follikeln gefrieren lässt und zu einer Gänsehaut führt, die sich sowohl ektodermal wie endodermal ausprägt.
„Drinnen“ ist ein Sammelsurium an Fragmenten unseres menschlichen Denkens, Spürens, Verhaltens, unseres Seins. Der Plattenbau – ein vielschichtiger Ort. Verschlungene Gänge, sozialer Brennpunkt. Und auch hier gibt es einen Brennpunkt. Mehr wird nicht verraten!
Danke, Sascha, dass du uns über unsere eigene Wahrnehmungsgrenze gestoßen hast. Die Asche der voreiligen Schlüsse flimmert noch in der Luft. Herzlichen Glückwunsch an dich!
Die Story wird im Juli als Buch erscheinen. Wenn ihr Glück habt, findet ihr sie jetzt schon in irgendeinem Regal beim Comicfest München. Schlagt zu, aber lasst den Hammer zu Hause!
Sandra Nußer
Quellen: ICOM Independent Comic Preis